— Konzertreihe alter Musik —
Musik zum 700. Geburtstag Karl des IV.
Sonntag 19. Juni 2016 17:00 — Altes Rathaus (Freskensaal), Radnická 8, 602 00 Brno, Tschechische Republik.
Ensemble all’improvviso (DE):
Guillaume de Machault (ca. 1300 – 1377) | Sanz cuer m’en vois Ballade canonique |
Anonym | La quarte estampie royal (Le Manuscript du Roi, F–Pn ms. fr. 844 fol. 104r) Estampie |
Guillaume de Machault (ca. 1300 – 1377) | Je ne cuit pas Ballade |
Francesco Landini (ca. 1325 – 1397) | Questa fanciulla (Codex Squarcialupi, I–Fl Med. Pal. 87) Ballata |
Anonym | Isabella (Codex London, GB–Lbl Add. 29987 fol. 56v) Istanpitta |
Anonym | Seguendo un me sparver (Codex Rossi, V–CVbav Rossi 215 fol. 3v) Madrigale |
Anonym | O crudel donna (Codex Rossi, V–CVbav Rossi 215 fol. 21v) Madrigale |
Jacopo da Bologna (fl. 1340 – ca. 1386) Text: Francesco Petrarca (1304 – 1374) |
Non al su’ amante (Codex Squarcialupi, I–Fl Med. Pal. 87 fol. 10v) Madrigale |
Anonym | Non a el su’ amante (Codex Faenza, I–FZc ms. 117 fol. 78r) Intavolierung |
Anonym | Amor mi fa cantar (Codex Rossi, V–CVbav Rossi 215 fol. 18v) Ballata |
Anonym | Lucente stella (Codex Rossi, V–CVbav Rossi 215 fol. 22r) Ballata |
Anonym | Chominciamento di gioia (Codex London, GB–Lbl Add. 29987 fol. 56r) Istanpitta |
Francesco Landini (ca. 1325 – 1397) | L’alma mie piange (Codex Squarcialupi, I–Fl Med. Pal. 87) Ballata |
Anonym | Or qua, conpagni (Codex Rossi, V–CVbav Rossi 215 fol. 19v) Caccia |
Das heutige Programm präsentiert säkulare Musik mit Bezug zu Karl IV., teils Kompositionen, die er wahrscheinlich selbst gehört hat, teils Werke von Autoren, die direkten Kontakt zu Karl IV hatten.
Ein solcher Kontakt war Guillaume de Machaut (um 1300 – 1377), der größte Französisch Dichter
und Komponist der Ars Nova des 14. Jahrhunderts. Machault diente als Sekretär und Diplomat für
Karls Vater, Johann von Luxemburg, und folgte den beiden auf den Feldzügen in Italien in den 1330er Jahren.
Auch nach Johanns Tod in der Schlacht von Crécy (1346) blieb Machault den Luxemburgern verbunden: Er diente
zwei Förderer der Künste, Karls Schwester Bonne (Guta, Jutta) und später ihrem Sohn Johann, Herzog von Berry;
letzterer ist heute in erster Linie als Sammler illuminierter Handschriften bekannt.
Ein weiterer direkter Kontakt war Francesco Petrarca (1304 – 1374), der einflussreichste Dichter des 14. Jahrhunderts und weit darüber hinaus. Petrarca besuchte Karl in Prag und die beiden waren im Briefkontakt, jedoch erfüllte Karl nie Petrarcas Wunsch, nach Rom zu übersiedeln und das Römische Reich neu zu beleben.
Jacopo da Bologna’s „Non al suo amante“ ist die einzige Vertonung eines Petrarca-Gedichts, die aus dem 14. Jahrhundert stammt (es ist auch das jüngste Werk im heutigen Programm). Es markiert den Anfang einer Entwicklung, die im 16. Jahrhundert gipfelte, wo es Mode wurde, Kompositionen über Petrarca-Gedichten zu schreiben.
Eine weitere Person aus Petrarcas Umfeld war Magister Franciscus Landini (um 1325 – 1397), Sänger
und Organist in Firenze, der berühmteste italienische Komponist des 14. Jahrhunderts. Wir wissen nicht,
ob Karl jemals Landini begegnet ist, aber er hat sicher Landinis Musik gekannt, die wegen ihrer Süße und der
filigranen Harmonie bewundert wurde. Obwohl Landini seit der Kindheit blind war (von Pocken), nahm er in den
intellektuellen Auseinandersetzungen seiner Zeit aktiv Teil und vertrat die philosophischen Ansichten von
Wilhelm von Ockham. —
Die größte Sammlung von Landinis Musik ist in dem nach einem späteren Besitzer benannten Squarcialupi Kodex
überliefert. Dieses Kodex wurde zwar erst im frühen 15. Jahrhundert geschrieben, aber der größte Teil
seines Repertoires ist viel älter, aus der Zeit Karl des IV.
Tanz war im 14. Jahrhundert eine wichtige soziale Aktivität, wie viele Miniaturen, Gemälde sowie Poesie wie Boccaccios Decameron (um 1350) bezeugen. Jedoch sind fast keine schriftlichen Quellen überliefert. Anscheinend brauchten die Musiker keine Noten; sie spielten entweder auswendig oder improvisierten. Dieses Programm präsentiert einige der seltenen Ausnahmen, wo die Musik aufgeschrieben wurde.
Estampie (französisch) und Istanpitta (italienisch) sind Lehnwörter aus (lateinisch) stantipes, einem Tanz, bestehend aus kurzen Abschnitten, die jeweils zweimal gespielt werden mit zwei verschiedenen Schlüssen, apertum (Öffnung) und clausum (Schließung). Der pariser Musiktheoretiker Johannes de Grochei (um 1255 – um 1320) schreibt, dass dieser komplexe Aufbau die Aufmerksamkeit des Hörers fängt und „die Gemüter der Reichen von bösen Gedanken ablenkt“.
Anne Schneider studierte in Weimar Gesang, und entdeckte schnell die Alte, dann die Ältere und dann die noch viel ältere Musik für sich — in weiterführenden privaten Studien machten Rebecca Stewart und Maurice van Lieshout sie vertraut mit der Musik des 12. bis 17. Jahrhunderts und öffneten ihre Ohren für die vielen Klangwunder. Die Publikumspreisträgerin der Lemgoer Orgeltage fühlt sich inzwischen in vielen Stilen zuhause: Consort, barocke Gestik, Koloraturen, Trecento, Oper, Renaissance, Klavierlied, Chanson. Sie konzertiert u. A. mit der Lautten Compagney Berlin, Cantus Modalis und The Playfords.
Miyoko Itō wurde im japanischen Nagoya geboren. Sie studierte Viola da Gamba, Mittelalterfidel und Barockcello in Basel, Frankfurt, Trossingen und Bremen u. A. bei Paolo Pandolfo, Lorenz Duftschmid, Kees Boeke und Hille Perl. 2010 legte sie das Konzertdiplom mit Auszeichnung ab, und 2013 erhielt sie den Master. In 2012 wurde sie Preisträgerin des Internationalen Bach-Abel-Wettbewerbs für Viola da gamba (Köthen). Sie konzertiert in verschiedenen Ensembles wie z. B. all’improvviso und der Schola Stralsundensis. 2014 erschien ihre CD Quinta Vox — Madrigale des 16. Jahrhunderts mit eigenen Diminutionen. Derzeit lebt sie in Halle (Saale) und wirkt als freischaffende Gambistin und Instrumentallehrerin.
Martin Erhardt fühlt sich gleichermaßen in Kunst und Pädagogik, Theorie und Praxis, Improvisation, Komposition und Interpretation in Mittelalter, Renaissance und Barock zuhause. Er studierte Blockflöte, Cembalo, Musiktheorie sowie „Frühe modale Musik“ und unterrichtet seit 2006 an den Musikhochschulen in Weimar und Leipzig sowie am Konservatorium in Halle (Saale) die Fächer historische Improvisation, Musiktheorie und Blockflöte. Workshops leitete er u. A. in Frankfurt, Köln, Lyon, Bergen, Prag, Linz, Cosenza, Leuven, Genève und Basel. Konzerte spielt er meist mit seinen Kammermusikgruppen, wie z. B. den Ensembles Nusmido und all’improvviso. Er ist der Direktor des Leipziger Improvisationsfestivals für Alte Musik und der Autor des Lehrbuchs „Improvisation mit Ostinatobässen”.
Das Konzert steht unter der Schirmherrschaft des tschechischen Kultusministers, Mgr. Daniel Herman. Es findet in Zusammenarbeit mit TIC Brno und mit finanzieller Unterstützung der Statutarstadt Brünn (Brno) statt.
Der Medienpartner fürs Konzert ist Radio Classic Praha.